Jeder kennt das typische Bild vom Piraten mit Holzbein, Augenklappe und Papagei auf der Schulter.
Dieses Image stammt aus dem goldenen Zeitalter der Piraten, als der Dreieckshandel mit den Kolonien der „neuen Welt“ blühte und die Weltmächte reihenweise Kaperbriefe ausstellten, um sich gegenseitig in ihrer Ausdehnung einzuschränken. Dass das Holzbein kein selbst gewähltes Bionicfeature war, kann man sich denken. Beim Papagei sind wir uns nicht so sicher…
Augenklappen dagegen, wurden höchstwahrscheinlich erst vor dem Überfall auf das zu kapernde Schiff aufgesetzt und hatten einen praktischen Zweck. Denn die Sehsituation im Gefecht konnte sich sehr schnell ändern. Vom gleisenden Sonnenlicht der Karibik an Deck zum (wenn überhaupt) schummrigen Kerzenlicht unter Deck.
Was muss das Auge dafür tun?
1. Die Pupille aufreißen und so viel wie möglich Licht ins Auge lassen 1 Sekunde
2. Die Sehzellen müssen mit weniger Licht auskommen und frisches Rhodopsin bilden – oops 20 Minuten.
Diesen Prozess nennt man Dunkeladaptation.
In 20 Minuten können dem gewöhnlichen Piraten im Gefecht jedoch schon viele schlimme Schicksalsschläge ereilen. Weshalb er wahrscheinlich beim Wechsel unter Deck, die Augenklappe abnahm und sofort mit dem dunkeladaptierten Auge weiterkämpfen konnte. – Ganz schön schlau die Piraten…..
P.S.: hier sei an dieser Stelle erwähnt, dass es noch weitere Theorien für das Bild vom augenklappentragenden Piraten gibt, die hier kurz genannt werden sollten.
1. Die Piraten wechselten die Augenklappe dann auf das andere Auge. – Das glauben wir nicht, denn auch Piraten guggen lieber mit zwei Augen und die Adaptation an helles Licht zurück an Deck geschieht in Sekundenbruchteilen. Ständiger Wechsel zwischen hell und dunkel war sicher nicht zu erwarten.
2. Piraten trainierten damit ein Auge für die Dunkelheit und trugen die Klappe deshalb den ganzen Tag.
–> Auch das glauben wir nicht, da es anatomisch nicht geht ein Auge auf Dunkelheit Umzutrainieren. und das Aufsetzten der Klappe eine halbe Stunde vor dem Kampf komplett ausreichend war. Unsere Theorie: Piraten waren nicht so doof das zu glauben. Wer sein Leben riskiert wird dabei meist sehr pragmatisch. Der Mythos konnte trotzdem entstehen, weil Piraten sich außerhalb eines Gefechtes selten als solche zu erkennen gaben und riefen: „Seht her, ich bin Pirat, aber heute habe ich frei und keine Augenklappe auf“ Denn solches Verhalten hätte wohl zur Körperverkürzung um eine Kopflänge geführt. Aber ein Angriff augenbeklappter Piraten auf das eigene Schiff, muss den wenigen überlebenden Zeugen wohl sehr eindrucksvoll im Gedächtnis geblieben sein.
3. Piraten haben eine überdurchschnittlich hohe Rate an Augenverletzungen und daher kommt das Bild, das wir heute haben.
Diese Theorie hat was. Es spielt sicher eine Rolle, da Splitter von Granaten, berstendem Holz, Säbelgefuchtel etc…. Und alles ganz ohne Arbeitsschutzbrille, hat den Augen sicher nicht gut getan.
Auch der Einsatz von ungelöschtem Kalk um den Gegner vor dem Angriff zu blenden, konnte mal nach hinten losgehen.
Allerdings gab es auch ein Berufsbild mit ähnlichem verletzungsträchtigem Umfeld: Der Marinesoldat zu dieser Zeit, von dem sind solche Sachen nicht bekannt.
4. Die Piraten nutzten den Jakobsstab und den Sextanten zum Navigieren und sahen dabei regelmäßig in die Sonne, um damit den Winkel zwischen Meereshorizont und Sonne zu messen. Das ist sicher nicht gesund und wir wollen es nicht ausprobieren, wie sich solche Messungen langfristig aufs Auge auswirken. Allerdings betraf das auch alle anderen Seefahrer zu dieser Zeit. Außerdem war Navigieren der wohl verantwortungsvollste Job auf einem Schiff und durfte nicht von jedem dahergelaufenem Besatzungsmitglied ausgeführt werden. Daher hätte das dann wohl nur einen maximal zwei Besatzungsmitglieder betroffen. Und das auf jedem Schiff dieser Epoche.